Summ und weg: Fünf Gründe für das Bienensterben

Denken Sie beim Stichwort „Bienensterben“ an pestizidverseuchte Äcker und tote Honigbienen? Oder sind Sie eher der Meinung, das sei alles nur Panikmache? – In jedem Fall lohnt es sich, näher hinzuschauen, denn weder sind Pestizide das größte Problem, noch ist die Honigbiene die Hauptleidtragende.

Dieser Beitrag erschien in abgeänderter Form am 27. April 2018 auf Zeit-Online.

„Was die Honigbiene angeht, gibt es keinen Grund zur Entwarnung, aber auch keinen Grund zur Panik“, sagt Peter Neumann, Tiermediziner und Leiter des Instituts für Bienengesundheit an der Universität Bern. Die Völkerverluste lägen zwar in manchen Regionen nach wie vor weit über den normalen Werten, aber noch schafften es die Imker das durch Nachzucht auszugleichen. Die Zahl der Honigbienenvölker in Deutschland und weltweit ist in den letzten Jahren sogar wieder leicht angestiegen. Ernsthaftere Sorgen müssen wir uns um die wilden Schwestern der Honigbiene machen. Dazu gehören z.B. Hummeln, Mauerbienen, Sandbienen, Pelzbienen und Hosenbienen. Sie leben einzeln oder in vergleichsweise kleinen Kolonien von höchstens einigen Hundert Tieren. Weltweit sind 20.000 Arten bekannt. In Deutschland stehen über die Hälfte der 569 Arten auf der Roten Liste. Honigbienen dagegen gibt es weltweit nur neun Arten, in Europa und Afrika sogar nur eine einzige, nämlich die Westliche Honigbiene Apis mellifera.

Was macht den Bienen zu schaffen? Fünf Gründe für das Bienensterben

1) Varroa destructor: Für die Europäischen Unterarten der Westlichen Honigbiene ist die vor gut 30 Jahren durch imkerliche Aktivitäten aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe nach wie vor die mit Abstand größte Bedrohung, sagt Bienenexperte Neumann. Die blutsaugenden Milben schwächen die Bienen nicht nur durch den direkten Befall, sondern übertragen dabei auch einen ganzen Cocktail aus Krankheitserregern. Je nach Witterung müssen die Imker über den Winter Völkerverluste zwischen 15 und 40% hinnehmen – trotz aufwändiger Behandlung der Völker mit Milbengift oder organischen Säuren. Natürlicherweise lebt die Varroa-Milbe in Völkern der asiatischen Honigbiene Apis cerana. Diese hat im Laufe der Evolution „gelernt“ sich und ihre Brut von dem Parasiten zu säubern und so den Befall in erträglichen Maßen zu halten. Diese Fertigkeit haben unsere nicht an die Parasiten angepassten Honigbienen aber nicht ausreichend. Fast alle vom Imker nicht korrekt behandelten Bienenvölker sterben daher innerhalb von zwei bis drei Jahren. Für Wildbienen interessiert sichVarroa destructor übrigens nicht.

2) Pestizide: Heiß diskutiert wird die Wirkung von Neonikotinoiden auf Bienen und andere Insekten[1]. Peter Neumann findet das banal und ärgert sich: „Jetzt hat die EU wieder Millionen Euro investiert, um zu zeigen, dass Insektizide Insekten schädigen. Das wissen wir doch schon seit den Sechziger Jahren!“
Sollte man deswegen die Neonikotinoide komplett verbieten? Da ist sich Neumann nicht so sicher, denn der Erfolg eines solchen Totalverbots ist fraglich. Das sieht auch der britische Entomologe Dave Goulson so, der dazu kürzlich im BBC-Radio[2] sagte: „In den 1940er Jahren hatten wir Organochlorpestizide wie das DDT, nach deren Verbot gab es Pestizide auf Phosphorsäurebasis, dann kamen die Neoniks und als Nächstes wird wieder etwas anderes, aber ähnlich schädliches kommen. Wenn wir diesen Kreislauf nicht unterbrechen, sehe ich keine Hoffnung, dass sich etwas für die Umwelt verbessert.“
Mit anderen Worten: Solange sich am derzeitigen Landwirtschaftssystem nichts ändert, trägt das Verbot einzelner Pestizide oder Stoffgruppen bestenfalls zu einer kurzfristigen Linderung bei. Denn die Bauern werden dann notgedrungen auf andere Mittel ausweichen und die nächste Generation der Pestizide steht schon in den Startlöchern. Daran können nur Verbraucher und Landwirte gemeinsam etwas ändern, indem sie sich für einen grundlegenen Wandel in der Nahrungsmittelproduktion stark machen. Pestizide schaden Bienen, das steht außer Frage, aber wir sollten es uns nicht zu einfach machen und ihnen die ganze Schuld geben.

Honigbiene an einer Rosmarinblüte

Honigbiene an einer Rosmarinblüte

Prof. Dr. Peter Neumann: „Der ruinöse Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen kann so nicht weitergehen.“

3) Verlust der Vielfalt: Seit Jahrzehnten „bekämpfen“ wir Bienen und Insekten auf allen möglichen Ebenen. Wir verwandeln unsere Gärten in Steinwüsten oder legen eine grüne Ödnis aus Rasen und Thujahecken an. Wir flurbereinigen Feldgehölze, fällen Bäume, begradigen Bäche und Flüsse, legen Moore trocken und pflügen Ackerrandstreifen. Blütenreiche Wiesen düngen und mähen wir, bis sich außer Löwenzahn und Gänseblümchen nichts mehr aus dem Boden wagt. Daneben überziehen wir unser Land großflächig mit Straßen, Parkplätzen, Gewerbe- und Neubaugebieten. Kurz: Wir zerstören die Vielfalt der natürlichen Lebensräume in großem Stil. Insbesondere die Wildbienen trifft der Verlust geeigneter Nistmöglichkeiten und Futterpflanzen. Aber auch Honigbienen leiden unter einseitiger Ernährung, denn Pollen ist nicht gleich Pollen. Wenn die natürliche bunte Pollenmischung durch Massentrachten wie Raps oder Sonnenblumen ersetzt wird, kann auch das die Bienen schwächen.

4) Imker: Imker leisten wertvolle Arbeit zur Erhaltung der Honigbiene, aber die Zunft sollte sich auch immer wieder kritisch hinterfragen, meint Peter Neumann. Bienenköniginnen werden europa- und weltweit verfrachtet oder mit der Post verschickt, um Honigertrag, Sanftmütigkeit und andere vom Imker gewünschte Zuchtziele zu optimieren. Dabei gehen lokale Anpassungen verloren, Krankheiten und Parasiten werden verbreitet; die natürliche Selektion wird durch Zucht außer Kraft gesetzt. Wissenschaft und Imker sind gefordert, neue Wege zu gehen. So ist im Schweizer Emmental ein Experiment geplant, bei dem Bienenvölker ohne imkerliche Maßnahmen gegen die Varroa-Milbe gehalten werden, um so natürliche Resistenzen zu fördern. Neumann wünscht sich von seinen Imkerkollegen „keine Importe von Königinnen und eine Imkerei, die sich etwas mehr an den Bedürfnissen der Bienen orientiert“.

5) Eingeschleppte Arten und Klimawandel: Das Beispiel von Varroa destructor zeigt, welche gravierenden Auswirkungen eingeschleppte Arten haben können. Da sich Varroamilben in den Brutwaben der Bienen vermehren, sind warme Winter, in denen die Bienen fast durchgehend Brut aufziehen, ideal für den Parasiten. Auf dem Vormarsch sind außerdem der Kleine Beutenkäfer (Aethina tumida), ein gefürchteter Bienenparasit aus der Familie der Glanzkäfer, der sich aus Afrika bereits bis nach Süditalien verbreitet hat, die bienenjagende Asiatische Hornisse (Vespa vetulina), die im Jahr 2014 in Deutschland das erste Mal nachgewiesen wurde und der ebenfalls aus Asien stammende parasitische Einzeller Nosema ceranae[3]. Alle diese Neubürger profitieren von der Klimaerwärmung und könnten der Honigbiene in Zukunft weiter zusetzen.

Fazit: Beim „Bienensterben“ muss man zwischen Wild- und Honigbienen unterscheiden. Während Majas wilde Schwestern am meisten unter dem Verlust der Vielfalt in unseren Landschaften leiden, sind für die Honigbiene eingeschleppte Bienenkrankheiten wie die Varroamilbe momentan die größte Bedrohung. Die Rolle der Pestizide bleibt umstritten. Eine grundlegende Neuausrichtung der Landwirtschaft wäre aus Sicht der Bienen aber wohl wichtiger, als das Verbot bestimmter Pestizide. Peter Neumann jedenfalls, wagt trotz aller Unwägbarkeiten einen positiven Ausblick: „Was mir wirklich Hoffnung macht, ist dass viele junge Leute anfangen Bienen zu halten und ich das Gefühl habe, dass die Problematik in der Bevölkerung angekommen ist.“

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Der Kollaps ist selten

Seit dem Jahr 2006 hört man auch immer wieder vom „Colony Collapse Disorder“ (CCD). Damals trat vor allem bei Imkern in den USA ein rätselhaftes Völkersterben auf, bei dem auf einen Schlag die meisten Arbeiterinnen eines Volkes verschwinden und die Königin mit der Brut und wenigen Ammenbienen zurückbleibt. Der „Koloniekollaps“ ist ein mittlerweile seltenes, mit ganz bestimmten Symptomen einhergehendes Phänomen, dessen Ursachen weitgehend ungeklärt sind. Wissenschaftlich beschrieben wurde der CCD im warmen Südosten der USA. Ob und in welchem Ausmaß das „Krankheitsbild“ auch in gemäßigten Breiten vorkommt, ist unklar, da es schwer von „normalen“ Winterverlusten zu unterscheiden ist.

Quellen:

[1] http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-02/bienensterben-neonicotinoide-gefahr-eu-lebensmittelsicherheit-verbot

[2] http://www.bbc.co.uk/programmes/b09tyzwc#play (min 7:00)

[3] Natsopoulou ME, et al. (2015) Interspecific competition in honey bee intracellular gut parasites is asymmetric and favours the spread of an emerging infectious disease. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 20141896. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2014.1896