Gedanken anlässlich der Debatte zum Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“
Ich kann die Bäuerinnen und Bauern sehr gut verstehen. Ihre Situation ist nämlich in bestimmten Punkten mit der von freien Journalisten vergleichbar. Beide Berufsgruppen sind selbständige Unternehmer, die meist mit viel Idealismus ans Werk gehen, die aber in der Honorierungskette ganz unten sitzen. Beide kriegen selten direktes Feedback von ihren Kunden und beide sind von Weiterverwertern ihrer Produkte abhängig: Die einen von Molkereien, Schlachtereien und Handel, die anderen von Verlagen und Redaktionen. Beide geben Ihr Bestes, müssen aber viel Kritik einstecken und fühlen sich tendenziell ausgebeutet. Viele leben in mehr oder weniger prekären Verhältnissen, halten aber aus Idealismus an ihrem Beruf fest. Diese Gesamtlage führt verständlicherweise dazu, dass man dünnhäutig reagiert oder sich schnell in die Ecke gedrängt bzw. in seiner Existenz bedroht fühlt.
Und wie kommen wir da raus?
Nun, den Bauern würde es schon helfen, wenn die Leute mehr Respekt für ihre harte Arbeit zeigen würden und wenn sich dieser Respekt auch darin ausdrücken würde, dass die Leute mehr Wert auf regional erzeugte und qualitativ hochwertige Lebensmittel legen würden; also auch mehr Geld dafür in die Hand nehmen würden. Motto: Spart nicht bei den Nahrungsmitteln, geht auf den örtlichen Markt oder zum Hofladen und macht Euch bewusst, wo das was auf Eurem Teller landet herkommt und wie es produziert wurde. Es ist ja auch irgendwie befreiend, nicht bei jeder Kartoffel nachrechnen zu müssen, ob sie nicht vielleicht an anderer Stelle für ein paar Cent weniger zu haben wäre. Und Hand aufs Herz, fast jeder wird ein paar andere Bereiche finden, um das Geld einzusparen, das dann mehr für Lebensmittel rausgeht. Die Rahmenbedingung für ein naturverträgliches Wirtschaften vorzugeben, ist dagegen weder Aufgabe der Bauern und Bäuerinnen noch der Verbraucher, sondern der Politik.
Was den Journalistinnen helfen könnte, ist da schon schwieriger. Um bei der Analogie zu bleiben, müsste man sagen: Seid bereit, für Qualitätsjournalismus auch Geld zu bezahlen. Da sind die Bauern und Bäuerinnen allerdings leicht im Vorteil, denn physisch überlebenswichtig ist das unabhängig geschriebene Wort nicht. Überlebenswichtig für eine lebendige Demokratie dagegen schon. Vielleicht braucht ein qualitativ hochwertiger Print- und Internetjournalismus eine pauschale Förderung, um langfristig überleben zu können. Das könnte eine staatliche Förderung z.B. als Teil der Rundfunkgebühr sein oder über Stiftungen oder Vereinsmodelle erfolgen.
Gunther Willinger
PS.: Das Wasser steht nicht nur freien Journalisten bis zum Hals: Angeregt durch die sehr lesenswerte Analyse der Situation des Journalismus in Deutschland vom Kollegen Franco Zotta bei „meta – Magazin über Journalismus und Wissenschaft“ veröffentliche ich hier meine Gedanken zu Landwirtschaft und Journalismus.