„Honig im Kopf“ im Zeit-Magazin – Eine Replik

Honigbiene an einer Sonnenblume

Meine Erwiderung auf den Beitrag zum Bienensterben „Honig im Kopf“ von Jörg Burger im Zeit-Magazin Nr. 21 vom 17.5.2018.

Auszüge aus dieser Replik wurden in Die Zeit Nr. 23 vom 30.5.2018 in der Rubrik Leserbriefe unter dem Titel „Biene? Welche Biene?“ veröffentlicht.

Den Beitrag von Jörg Burger im Zeit-Magazin ist hier online abrufbar.

Honigbiene an einer Sonnenblume

Honigbiene an einer Sonnenblume

Sehr geehrter Herr Burger,

Ihr Text „Honig im Kopf“ im Zeit-Magazin vom 17. Mai 2018 ist die Geschichte von einem der auszog, „das Bienensterben“[1] zu entlarven. Der Beitrag ist gründlich recherchiert, lässt es aber aus meiner Sicht an Ausgewogenheit und Differenzierung fehlen. Vielmehr liest er sich so, als ob Ihr Interesse weniger den Bienen galt, als der „Entlarvung“ der „apokalyptischen Endzeitvision“ des Bienensterbens. Das ist sehr schade, da Ihnen dadurch meines Erachtens die wirklich spannenden und relevanten Aspekte des Themas entgangen sind. Etwa, dass „die Honigbiene“, die die allermeisten Imker in Deutschland halten, gar nicht die einheimische Honigbiene ist, sondern die aus Südosteuropa stammende Kärntnerbiene (Apis mellifera carnica). Und dass die einheimische „Dunkle Biene“ (Apis mellifera mellifera) nur noch von wenigen idealistischen Imkern gehalten wird, weil sie weniger Honigerträge liefert und angeblich eher zusticht[2]. Oder, dass die Imker durch die Domestizierung und Zucht der Honigbiene dazu beitragen, dass die Tiere sich bislang kaum an die Varroamilbe anpassen d.h. eine Resistenz ausbilden konnten. Oder, dass es in Europa einige wenige Gebiete gibt, in denen wilde Honigbienen ohne Zutun des Menschen überleben.

Differenzierung zwischen Nutztier und Wildtier

Warum ist das alles relevant? Weil wir uns dringend angewöhnen sollten, zu sagen, über welche Bienen wir eigentlich sprechen. Das Nutztier Honigbiene ist in Deutschland momentan nicht in seinem Bestand bedroht, das steht außer Frage, wie Sie richtig geschrieben haben. Sprechen wir aber über wilde Honigbienen oder die in Deutschland heimische Unterart der Honigbiene, oder über die rund 570 Wildbienenarten[3], ist es durchaus angebracht in Sorge zu geraten.

Ein Wildbienenforscher erklärte mir das Dilemma der ungenügenden Differenzierung zwischen Nutz- und Wildbienen sehr anschaulich, indem er sagte: „Ich habe ja auch noch nichts für den Vogelschutz getan, wenn ich Hühner züchte.“ Die vom Imker gehaltene Honigbiene ist zwar ein relativ wildes Nutztier, aber dennoch ein Nutztier. Und das gilt es auseinanderzuhalten. Dass das Nutztier Honigbiene nicht vom Aussterben bedroht ist, ist schon fast eine Binsenweisheit – trotzdem ist auch die Honigbiene mit vielen Problemen der modernen Landnutzung konfrontiert und es kann sicher nicht schaden, ein Auge auf sie zu werfen. Viel mehr sollte uns aber beschäftigen, wie es um die wilden Bestäuber bestellt ist. Auch da ist keine Panik nötig, aber eine bessere Forschungsförderung und vor allem konsequentes Handeln, wenn es darum geht die biologische Vielfalt zu bewahren. Ganz gleich, ob auf dem Acker oder in unseren Gärten und Siedlungen. Diese Einsicht zum Thema „Bienensterben“ vermisse ich leider in Ihrem Text.

Stattdessen schreiben Sie lapidar: „Vermutlich hatten die Bauern in ihrer Gegend [in China] alle Insekten mit viel zu vielen Pestiziden totgespritzt.“ Und dann weiter: „Die Zahl der Bienenvölker hat zumindest in China laut FAO in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.“ Wenn wir bei der Vogelanalogie bleiben, wäre diese Relativierung in etwa so aussagekräftig wie: „In manchen Gegenden Deutschlands sind alle Vögel ausgestorben. – Die Zahl der Hühnerställe hat aber stark zugenommen.“

Schwärmende Honigbienen sammeln sich in einem Birnbaum.

Schwärmende Honigbienen sammeln sich in einem Birnbaum.

Selbst das Zitat von Robert Paxton, der klar sagt, dass ein Drittel aller Bienenarten in Deutschland in den nächsten 25 Jahren verloren geht, wenn wir unseren Umgang mit dem Land nicht ändern, ziehen Sie noch als Beleg für Ihre „Entlarvungshypothese“ heran: „Herr Paxton würde nicht von einem Bienensterben sprechen.“ Natürlich würde er das nicht, denn er ist Wissenschaftler und muss einzelne Arten differenziert betrachten. Die „gravierenden Folgen“, die manche Wissenschaftler beim Aussterben von Bienen befürchten, entkräften Sie leichthin mit dem Nebensatz: „vorhersagen, was passiert, können sie nicht“. Wissenschaftler sind keine Wahrsager, aber was schlagen Sie vor? Sollen wir abwarten, was passiert, wenn die Arten ausgestorben sind? Dann können wir sie zwar nicht mehr zurückholen, uns aber immerhin wissenschaftlich fundiert über den Verlust ärgern.

Eine Vorhersage kann man wohl trotzdem wagen: Wenn wir weiter Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten in Deutschland verlieren, dann ist unsere Welt wieder ein Stückchen ärmer geworden. Wir müssen nicht immer ein Preisschild an die Natur heften, um zu verstehen, dass der Verlust enorm ist.

Und dann ist da noch das beliebte Anti-Artenschutz-Argument, das besagt, dass die Artenvielfalt in Deutschland ja auch vom Menschen gemacht sei. Das legt nahe: Wenn wir 200 Insektenarten verlören, wäre das dann nicht gewissermaßen ein Rückfall in den Urzustand?! Die Anhänger dieses Arguments vergessen dabei leider meist zu erwähnen, dass der Mensch – bevor er eine (einstmals) vielfältige Kulturlandschaft schuf – einen Großteil der Lebensräume mit natürlicher Dynamik zerstört hat. Dazu gehören unregulierte Flüsse und Bäche mit periodisch überschwemmten Auen, natürlich alternde Wälder oder Feuchtwiesen und Moore – alles Landschaften mit einer hohen Dichte und Vielfalt an Insekten.

Eine Wildbiene besucht die Blüte einer Teufelskralle.

Eine Furchenbiene (Halictus simplex) besucht die Blüte einer Kugeligen Teufelskralle (Phyteuma orbiculare).

Sehr geehrter Herr Burger, Sie behaupten das „Bienensterben“ hätte sich als „Endzeitvision“ in den Köpfen festgesetzt. Woher nehmen Sie diese Gewissheit und wessen Köpfe meinen Sie da genau? Gibt es dazu Daten/Umfragen? Sie schreiben auch „es heißt, die Honigbiene sei vom Aussterben bedroht.“ Aber wer behauptet das eigentlich? Einziger Anhaltspunkt ist ein angebliches Einstein-Zitat, das natürlich Quatsch ist, das aber auch niemand, der sich mit der Materie auskennt, je wirklich Ernst genommen hat.

Natürlich ist das Zeit-Magazin kein Wissenschafts-Magazin und es ist völlig legitim den „Bienen-Hype“ kritisch zu hinterfragen. Aber ich hätte mir bei diesem Thema doch eine differenziertere und sachlichere Betrachtung gewünscht. Denn der „Hype“ ist ja nicht per se schlecht, selbst wenn man ihn als „Hype“ einstuft. Und das Bienensterben hat zumindest was die Wildbienen und die wilden Honigbienen angeht einen sehr ernsten und wahren Kern. Das kam mir in dem Beitrag doch deutlich zu kurz. Wenn Sie schreiben, dass das „arme Bienchen heute doch arg mit Weltanschauung aufgeladen“ sei, dann diskreditiert das zudem alle Bürger, die sich für den Schutz von Bienen und Insekten einsetzen. Die Natur ist emotional besetzt und bedeutet für jeden etwas anderes, das ist OK, aber sie ist auch unsere Lebensgrundlage und verdient es, dass wir uns besser um sie kümmern.

Gunther Willinger

[1] https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-04/bienensterben-ursachen-pestizide-imker-klimawandel

[2] https://www.spektrum.de/news/die-dunklen-bienen-fliegen-wieder/1156495

[3] https://www.spektrum.de/news/wildbienen-leisten-wertvolle-arbeit/1299348